In Deutschland wurde eine bronzezeitliche Siedlung mit 332 Gebäuden, pyramidenförmigen Gewichten für Webstühle und Schildkrötenpanzern entdeckt

Unter der Erde, wo in Wolmiersdorf in Sachsen-Anhalt ein neues Sportstadion gebaut werden soll, hat eine Gruppe von Archäologen die Überreste einer großen Siedlung aus der späten Bronzezeit entdeckt und damit bestätigt, dass dieses Gebiet, strategisch günstig am Ufer der Ore und unweit ihrer alten Mündung in die Elbe gelegen, bereits vor mehr als 3000 Jahren ein wichtiger Ort war.

In Deutschland wurde eine bronzezeitliche Siedlung mit 332 Gebäuden, pyramidenförmigen Gewichten für Webstühle und Schildkrötenpanzern entdeckt

Die Ausgrabungen, die von der Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Gemeinde, haben Wohngebäude und Öfen sowie einen ungewöhnlichen Fund zutage gefördert: den Panzer einer europäischen Sumpfschildkröte in einer Grube, die möglicherweise als Ofen diente, was darauf hindeutet, dass das Tier gegessen wurde.

Seit Anfang Juni dieses Jahres haben Archäologen eine Fläche von rund 21.000 Quadratmetern am westlichen Rand von Wolmirstedt untersucht und parallel dazu die Vorbereitungen für die Planierung des Geländes für einen Sportkomplex getroffen. Bislang wurden auf den bereits untersuchten 5000 Quadratmetern 322 archäologische Anlagen dokumentiert und über tausend Fundstücke entdeckt, darunter vor allem Keramikfragmente, aber auch Bronzeringe, Knochennadeln und Tierknochen von Rindern, Schweine, Schafe und Ziegen, was ein eindeutiger Hinweis auf eine langjährige Besiedlung ist.

Der Standort der Ausgrabungen ist kein Zufall. In der späten Bronzezeit (zwischen 1300 und 750 v. Chr.) war diese Region unweit des Unterlaufs der Ore ein Treffpunkt zweier großer Kulturkreise: dem nördlichen Bronzekreis und der Lausitzer Kultur, deren Einflüsse sich in lokalen Gruppen wie der sogenannten Elbe-Havel-Gruppe und der Saalemündungsgruppe vermischten. Die Funde in Wolmirstedt spiegeln diese Vielfalt wider: dickwandige Keramikgefäße, Kochgeschirr und verzierte Schalen, die typisch für diese Zeit sind.

Unter den gefundenen Bauten stechen mehrere Lagerstätten hervor, die ursprünglich mit Flechtwerk verkleidet waren und später als Müllgruben dienten, sowie drei Öfen, deren mit gebranntem Lehm verstärkte Wände Spuren von gerundeten Holzstämmen aufweisen, die auf ihre alte Bauweise hinweisen. Das größte Interesse weckte jedoch der dritte Ofen: An seinem Rand, neben Keramikfragmenten, wurde ein Panzer einer Sumpfschildkröte gefunden – ein außergewöhnlicher Fund, der durch Laboruntersuchungen bestätigt werden muss, um festzustellen, ob es sich um Speisereste handelt.

In Deutschland wurde eine bronzezeitliche Siedlung mit 332 Gebäuden, pyramidenförmigen Gewichten für Webstühle und Schildkrötenpanzern entdeckt

Wohnstätten, Werkstätten und eine geheimnisvolle Grabstätte

Anhand der Pfahlspuren konnte ein Wohnhaus mit einer Länge von mindestens sechs Metern und einer Breite von vier Metern sowie kleinere Bauten wie Scheunen und eine Textilwerkstatt teilweise rekonstruiert werden. Das letzte, halb vergrabene Gebäude mit einer Größe von 4 mal 3,3 Metern enthielt pyramidenförmige Gewichte für einen Webstuhl, was auf die Herstellung von etwa 60 Zentimeter breiten Stoffen auf einem vertikalen Webstuhl schließen lässt.

Außerdem wurde der Skelett eines erwachsenen Mannes von kräftiger Statur und etwa 1,7 Meter Größe gefunden, der in gebückter Haltung mit seitlich gedrehtem Kopf in einer Müllgrube begraben war. Im Gegensatz zu den üblichen Bestattungsriten jener Zeit – Einäscherung und Beisetzung der Asche in Urnen außerhalb der Siedlungen – weist diese „untypische” Bestattung keine Spuren von Gewalt oder Unterernährung auf. War es ein Ritual? Eine Umbettung? Oder spiegelt dies möglicherweise soziale Unterschiede wider? Die Fragen bleiben vorerst offen.

Die Ausgrabungen, an denen acht LDA-Experten beteiligt sind, werden bis zum 15. Oktober 2025 dauern. Anschließend wird eine sorgfältige Untersuchung der Materialien und Unterlagen eine detailliertere Rekonstruktion des Lebens dieser Grenzgemeinde ermöglichen. Unterdessen schreitet das Stadionprojekt, das ein Spielfeld, eine B-Laufbahn und ein Nebengebäude umfassen wird, planmäßig voran.

Für Wolmirstedt ist der Stadionbau die größte kommunale Investition seit 1990. Doch unter seinem Fundament musste die Vergangenheit vorübergehend ihren Platz einräumen. Und obwohl die Maschinen bald ihre Arbeit wieder aufnehmen werden, haben die Geheimnisse dieser vergessenen Siedlung am Fluss Ore bereits begonnen, ein neues Kapitel in der Geschichte zu schreiben.

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